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Liebscher und Bracht-Studie – Nackenschmerzen

Liebscher & Bracht
Research
_______________________
Dr. med. Egbert Ritter
Wissenschaftliche Leitung
_______________________ 2023

Ergebnisse einer Kurzzeitanwendung von Liebscher &
Bracht Übungen bei Nackenschmerzen mit 112
Teilnehmenden

112 Probanden mit unspezifischen Nackenschmerzen führten im Untersuchungszeitraum von 7 Tagen per Video angeleitete Liebscher & Bracht Übungen® durch. Die Übungszeit betrug 10 Minuten täglich. Im Laufe der Studie sank die allgemeine subjektive Schmerzeinschätzung auf einer numerischen Ratingskala von 0 bis 10 im Schnitt um 1,5 Punkte. 81 % der Teilnehmenden berichteten von einer Verbesserung ihrer Nackenschmerzen.

Inhalt

Vorbemerkungen 2
Unspezifische Nackenschmerzen in Praxis und Forschung 2
Liebscher & Bracht Übungen® bei unspezifischen Nackenschmerzen 3
Methodische Vorgehensweise 3
Teilnehmergruppe 3
Studienaufbau 4
Ergebnisse 5
Diskussion 6

Vorbemerkungen
Unspezifische Nackenschmerzen in Praxis und Forschung
Etwa ein Drittel aller erwachsenen Deutschen leidet mindestens einmal im Jahr an Nackenschmerzen.1 Bei bis zu 50 % der Betroffenen werden sie chronisch. Am häufigsten sind darunter sogenannte unspezifische Nackenschmerzen ohne eindeutig feststellbare Ursache wie Fehlstellungen, Instabilitäten, Traumata oder ernsthafte Pathologien mit nichtmuskuloskelettaler Schmerzgenese.

Die Versorgung von Patient*innen mit dieser Form der Nackenschmerzen erbringt in der schmerztherapeutischen Praxis weiterhin unbefriedigende Ergebnisse. Ausdruck dieser herausfordernden Versorgungslage ist die Empfehlung der nationalen Leitlinie, bei unspezifischen Nackenschmerzen die Grenzen von Diagnostik und Therapie schlichtweg anzuerkennen. Hinzu kommt: Trotz überzeugender Evidenz für den Nutzen von Bewegung , dominieren in der Praxis passive Therapien gegenüber aktiven Formen (z. B. bestimmte Bewegungs- und Übungsprogramme).

Allerdings gibt es nur wenige verlässliche Studien für einzelne Behandlungsarten; die Evidenz für die Wirkung unterschiedlicher Übungsformen ist insgesamt moderat bis schwach. Es liegen jedoch Hinweise vor, wonach Bewegungsprogramme bzw. Übungen alleine oder kombiniert mit beispielsweise Wärmebehandlungen, Manipulation oder Mobilisierung besser wirken als konservative Behandlungen, die auf Bewegungs- und Übungselemente verzichten. Die Anwendung von Kräftigungsübungen in Kombination mit Ausdauer- oder

1 Pool JJM, Rubinstein SM, van Tulder M: Anerkannte Evidenz der Wirksamkeit konservativer Behandlungen akuter und chronischer Nackenschmerzen. Manuelle Medizin, 2005, Ausgabe 5, S. 298.
Dehnungsübungen hat sich insbesondere bei chronischen unspezifischen Nackenschmerzen als vorteilhaft erwiesen und kann den Bewegungsumfang (Range of Motion, ROM) der Halswirbelsäule (HWS) steigern. Auch Anleitungsvideos mit Dehn- und Kräftigungsübungen zur selbstständigen Anwendung scheinen bei unspezifischen Nackenschmerzen hilfreich zu sein. Die Regelmäßigkeit, mit der solche Programme durchgeführt werden, und damit die aktive Mitwirkung der Patient*innen wird in der Forschung als wichtiger Parameter für den Behandlungserfolg diskutiert.
Liebscher & Bracht Übungen® bei unspezifischen Nackenschmerzen
Auf diesen dargestellten Faktoren – nämlich der positiven Wirkung von Bewegung und der Wichtigkeit von Selbstaktivität bei Schmerzen – gründen die Liebscher & Bracht Übungen®. Sie beruhen auf der Annahme, dass die meisten Schmerzen aus einer erhöhten Spannung der Muskeln und Faszien resultieren. Die Liebscher & Bracht Übungen®, mehrphasige Übungen zur Dehnung und Kräftigung, die selbstständig angewendet werden, setzen daher gezielt an dieser Schmerzursache an. Sie wird nach unserer Einschätzung in der gängigen Behandlungspraxis bei Schmerzen teilweise übersehen, zumindest aber unterschätzt.

Insbesondere bei Schmerzen des Bewegungsapparats, die als unspezifisch befundet werden, steht die gut begründbare These im Raum, dass physiologische Veränderungen auf muskulärfaszialer Ebene eine dominante Rolle spielen – entsprechend aussichtsreich könnte die regelmäßige Anwendung der Übungen in solchen Fällen sein.
Methodische Vorgehensweise
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde die Hypothese überprüft, dass die
Liebscher & Bracht Übungen® bei Patient*innen mit unspezifischen Nackenschmerzen bereits

diathermy in addition to advice and exercise for neck disorders: a pragmatic randomized controlled trial in physical therapy clinics. Arthritis Care Res 2005;53:214–22; Southerst D, Nordin MC, Cote P, et al.: Is exercise effective for the management of neck pain and associated disorders or whiplash-associated disorders? A systematic review by the Ontario Protocol for Traffic Injury Management (OPTIMa) Collaboration. Spine J 2016;16:1503–23.
nach einem kurzen Anwendungszeitraum von 7 Tagen zu einer Linderung der Schmerzen führen.
Teilnehmergruppe
Für die Studie wurden 112 Probanden von einem unabhängigen Dienstleister rekrutiert und vergütet (Talk). Konzeption und Berichtslegung lagen bei Liebscher & Bracht. Die Durchführung der Studie erfolgte über das Spiegel Institut Mannheim.

Alle Teilnehmenden litten unter bislang als unspezifisch befundeten Nackenschmerzen, die seit maximal 6 Monaten bestanden. Während der Studie verzichteten die Probanden auf die Einnahme von Schmerzmitteln oder Fettsenkern und nahmen keine weiteren Therapien in Anspruch. Ausgeschlossen wurden Personen mit schweren Grunderkrankungen, die auf anderweitige Therapien und/oder die Einnahme von Medikamenten angewiesen waren. Abb.1 zeigt die Verteilung der Probanden nach Geschlecht und Altersgruppe.

Abb. 1: Verteilung der 112 Probanden nach Geschlecht und Altersgruppe
Studienaufbau
Gegenstand der Untersuchung war die subjektive Schmerzeinschätzung der Probanden vor und nach der Anwendung von Liebscher & Bracht Übungen® bei Nackenschmerzen. Erfasst wurden die Ergebnisse anhand der numerischen Ratingskala (NRS) von 0 bis 10. 0 bedeutet „keine Schmerzen“, 10 stellt den höchsten Schmerzwert dar. Abgefragt wurde das Schmerzniveau bei verschiedenen Aktivitäten bzw. in verschiedenen Situationen, beispielsweise im Sitzen, beim Stehen, beim Gehen oder in der Nacht.

An 7 aufeinanderfolgenden Tagen führten die Teilnehmenden dazu selbstständig eine vorgegebene Abfolge an Übungen durch, die per Video angeleitet wurde. Anschließend gaben sie jeweils Auskunft über ihr Schmerzniveau. Die Übungszeit betrug 10 Minuten täglich. Die Anwendung erfolgte ohne die Nutzung von Hilfsmitteln. Nach Ende der Übungswoche wurde in einer Abschlussbefragung der allgemeine Gesundheitszustand erneut bewertet. Ein Kontakt zwischen Therapeut*innen und Teilnehmenden bestand während der Studienzeit nicht. Die Untersuchung wurde ohne Kontrollgruppe durchgeführt.

Der Untersuchungszeitraum ergab sich aus der Beobachtung, dass mit den Liebscher & Bracht Übungen® gemäß der standardisierten Therapiepraxis im Liebscher & Bracht Gesundheitszentrum bei als unspezifisch eingeschätzten Schmerzen am Bewegungsapparat nach mindestens 7 Tagen signifikante Verbesserungen erwartbar sind.
Ergebnisse
Die meisten Teilnehmenden (81 %) gaben nach der 7-tägigen Anwendung der Liebscher & Bracht Übungen® eine Verbesserung ihrer Schmerzen an. Signifikante Verbesserungen zeigten sich nach dem dritten Übungstag. Nach dem siebten Übungstag waren die Schmerzen im Schnitt um 1,5 Punkte auf der NRS gesunken: Der Mittelwert der Ausgangsschmerzen lag bei 3,6 und sank im Schnitt auf 2,1. In Einzelfällen (3 Probanden) betrug die Verbesserung der subjektiven Schmerzeinschätzung 7 Punkte.

Sowohl bei Teilnehmenden, die Liebscher & Bracht vor der Studie noch nicht kannten (n= 72) als auch bei jenen, die Liebscher & Brachten kannten (n= 40), konnten die Nackenschmerzen signifikant reduziert werden. Bei einzelnen Patient*innen gab es keine Veränderung oder eine Verschlechterung der Schmerzeinschätzung.

Abb. 2: Differenz im subjektiven Schmerzempfinden zwischen Tag 1 und 7 nach NRS-Werten

Insbesondere im Sitzen (2,5 Punkte), während der Hausarbeit (2,2 Punkte) und im Stehen (2,2 Punkte) wurde im Schnitt eine deutliche positive Entwicklung festgestellt.

Abb. 3: Spezifische Schmerzwerte auf der NRS vor und nach den Liebscher & Bracht Übungen®
Diskussion
Die vorliegende Untersuchung ermittelte die subjektive Schmerzeinschätzung von Teilnehmenden mit unspezifischen Nackenschmerzen vor und nach der Durchführung von Liebscher & Bracht Übungen®. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Anwendung einen positiven Effekt auf die Schmerzen in verschiedenen Situationen bzw. bei verschiedenen Aktivitäten hatte. Die überwiegende Mehrheit (81 %) der Teilnehmenden gab nach den Übungen eine deutliche Verbesserung der wahrgenommenen Schmerzen an. In wenigen Fällen wurde keine Veränderung (6 %) oder eine Verschlechterung (13 %) der Schmerzsymptomatik festgestellt.

Dies erlaubt den Schluss, dass die Anwendung möglicherweise nicht für alle Schmerzpatient*innen gleichermaßen wirksam ist und weitere Untersuchungen notwendig sind, um die Wirksamkeit sowie individuellen Faktoren zu bestimmen, die den Erfolg der Selbsthilfe-Techniken beeinflussen könnten. Insbesondere ein längerer Zeitraum im Rahmen von Vergleichsstudien könnte vielversprechend sein. Hier ging es zunächst darum, in einem möglichst kurzen Zeitraum eine Wirkung zu dokumentieren, die für Schmerzpatient*innen motivierend wirken und somit ein stärkeres Engagement für die Übungen ermöglichen kann. Dies stellt wiederum eine Voraussetzung dafür dar, dass die notwendige Regelmäßigkeit in der Durchführung der Übungen eingehalten wird und die Übungen überhaupt in einem wirksamen Maße umgesetzt werden können.

Vor diesem Hintergrund stellt die hier vorgestellte Studie eine der ersten Erhebungen dar, die in Ansätzen die Wirksamkeit der Liebscher & Bracht Übungen® untersuchte. Die Ergebnisse zeigen trotz geringer Stichprobe, dass die Übungen einen deutlich positiven Effekt auf die subjektive Schmerzeinschätzung haben.

Das Fehlen einer Kontrollgruppe schränkt die Aussagekraft der Untersuchung ein. Weitere Untersuchungen, insbesondere randomisierte Kontrollstudien, wären notwendig, um die hier gefundenen Ergebnisse für unspezifische Schmerzen am Bewegungsapparat weiter zu überprüfen und gegebenenfalls zu bestätigen.

Als vielversprechend könnten sich auch Studien erweisen, die Probandengruppen mit spezifischen Nackenschmerzen einbeziehen. Praktische Erfahrungswerte zeigen, dass durch die Liebscher & Bracht Übungen® auch bei bestimmten strukturellen Schäden eine schmerzlindernde Wirkung möglich ist, weil offenbar in vielen Fällen ein muskulär-faszialer Anteil am Schmerz besteht. Wie hoch dieser ausfällt, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und wäre in weiteren Studien genauer zu bestimmen.

Den Blick auf bisher vernachlässigte Ursachen von Nackenschmerzen in weiteren Studien zu schärfen, scheint auch deshalb dringend geboten, da Patient*innen häufig eine kostenintensive apparative Diagnostik und zum Teil eine unverhältnismäßig lange Medikation begleiten, während die ganzheitlichen Aspekte der Erkrankung vernachlässigt werden. Gerade für eine solch holistische Betrachtungsweise der Entstehungsfaktoren und Therapieoptionen von (unspezifischen) Nackenschmerzen könnte es sich als lohnenswert erweisen, sowohl die muskulär-fasziale Schmerzmodulation als auch deren Beeinflussung über Übungsformen wie die hier untersuchten stärker in den Fokus zu rücken.